6. Oktober 2012

Grenzen

Marlen mochte ihre Welt, keine sollte in sie eindringen, keiner sollte sie berühren. Und immer wenn es dennoch und ganz ohne ihren Willen geschah, war sie bestürzt über die verheerenden Auswirkungen in ihrem Inneren. Sie war eine Separatistin, Grenzen waren ihr alles, durch sie fühlte sie sich selbstbewusst, unabhängig und frei.

Er brüllte sie an in einer Lautstärke und Intensität, die sie von ihm nicht gewohnt war. Seine scheinbar unumstößliche Ruhe und Besonnenheit hatten ihr schon so manches Mal die Nerven geraubt. So viel Zurückhaltung musste ihn ganz wild machen dachte sie, die es nicht gewohnt war, mit ihrer Meinung zu den Dingen hinterm Berg zu halten.

Nun war jedoch scheinbar auch ihm das Fass übergelaufen, die Hutschnur geplatzt...
'Deine Grenzen machen Dich nicht freier...oder unabhängiger oder was auch immer du dir von ihnen versprichst. Sie engen dich ein und mich noch dazu. Deine Rechthaberei, deine Begrenzung zu allen Seiten, deine Starrheit, sind der Grund für dein Leid. Wann wirst du das endlich begreifen?'

Sie war erschrocken über diesen plötzlichen Gefühlsausbruch und doch gespannt, wozu er sich entwickeln würde. Beflügelt durch ihre großen, aufgerissenen Augen, kam er erst richtig in Fahrt.

'Es ist nicht alles schwarz oder weiß, richtig oder falsch, so oder so. Wirklich frei bist du, wenn du dich den Dingen öffnest, nicht deiner Bewertung der Dinge, sondern ihrer wahren Natur. Wenn du dich nur ein Stück öffnest, könnten Dinge passieren, die du jetzt noch nicht einmal für möglich hältst. Marlen, diese Dinge sind nicht schwarz oder weiß, sie sind blau, grün und rosa-rot...Das ist ein Geschenk und du kannst es annehmen.'

Sein beherzter Vortrag ließ etwas in ihr ganz weich werden, ganz blau grün und sogar rosa-rot, ganz warm und mutig.

In der plötzlichen Stille breitete sich eine wohlige Verbundenheit aus, die beinahe mit den Händen zu fassen war, so hatte sie sich verdichtet.

'Das klingt aufregend.' antwortete sie nach einiger Zeit und fing an zu lachen...über das ganze sonst so grüblerische, von Denkfalten durchzogene Gesicht...bis er endlich einstimmte.

2 Kommentare:

  1. Hey, es freut mich, dass dir mein Blog gefällt.

    Deine Kurzgeschichte ist schön geschrieben und hat für mich auf jeden Fall eine Botschaft, die sie übermitteln möchte. Man soll in seinem Leben Dinge von allen Seiten und in voller Pracht betrachten und nicht beschränkt.

    Gerne schaue ich wieder hier vorbei, um eine weitere Geschichte zu lesen.

    Liebe Grüße
    Rebecca

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    1. Hallo Rebecca, schön, dass Dir meine Geschichte gefällt. Du bist jederzeit herzlich willkommen:-)

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