25. Mai 2012

"Dieser Sommer...

war Sonjas Sommer. Wir fuhren zum Rudern hinaus an die Seen, und ich ruderte Sonja über das spiegelglatte, schilfgrüne Wasser, bis mir die Arme schmerzten. Wir aßen am Abend in den kleinen Gaststätten der Dörfer - Schinkenplatte und Bier -, und Sonja bekam rote Wangen und ganz sonnenhelles Haar. Wir fuhren mit der Bahn nach Hause, Sträuße von Feldblumen im Arm, die Sonja alle mit zu sich nahm. Ich arbeitete selten, studierte die Landkarten der Umgebung und wollte in allen Seen schwimmen gehen, die es gab. Sonja schleppte immer einen Rucksack voller Bücher mit, las mir vor und rezitierte ein Gedicht nach dem anderen. Die Abende waren warm, wir zählten unsere Mückenstiche, und ich brachte ihr bei auf einem Grashalm zu blasen. Der Sommer war eine Kette aus hellen, blauen Tagen, ich tauchte in ihn ein und wunderte mich nicht. Wir verbrachten die Nächte in Sonjas Wohnung, durch deren hohe große Fenster man die Spree sehen konnte, wir schliefen nicht miteinander, wir küssten uns nicht, wir berührten uns kaum, eigentlich nie. Ich sagte: >>Dein Bett ist ein Schiff<<, Sonja antwortete nicht - wie immer -, aber sie sah den ganzen Sommer über wie eine kleine Siegerin aus." Von Judith Hermann, Sommerhaus, später

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